OBJEKT DES MONATS – Februar 2015
Variante zum Schreibfauteuil Kohn Nr 721

Das Fauteuil Nr 721 von Kohn gehört zu den Schreibsesseln, die durch ihr Dekor und die stringente Linienführung, am meisten aber durch den Sattelsitz die Aufmerksamkeit des Betrachters fesseln. Das Dekor des Modells 721 besteht aus einer gewölbt verleimten Sperrholzschale in der Rückenlehne, die drei Reihen mit je sechs runden Löchern gleicher Größe aufweist. Die hier gezeigte Variante – ansonsten baugleich – weicht nur in diesem Dekor von dem bekannten Modell ab.  Die Löcher, deren strenges Bild den Sessel seriös erscheinen läßt,  wurden gegen die drei Tulpen ausgewechselt, deren Entwurf möglicherweise auf Koloman Moser zurück geht. Auch dieses Dekor besteht aus einer ausgeschnittenen Sperrholzschale, die in die gleichen Nuten eingefügt wurde, in denen auch das Lochdekor montiert ist.

 

Das ist wieder ein überzeugendes Beispiel für das Baukastenprinzip, mit dem die Produktpalette um beliebig viele Varianten bereichert werden konnte, ohne viel an der Konstruktion ändern zu müssen. Lediglich ein anders dekoriertes aber maßgleiches Teil wird ausgetauscht, um dem Sessel einen anderen Ausdruck zu geben. Leider finde ich diese Variante nicht in der Katalogliteratur, die nachgedruckt zur Verfügung steht, weder 1904, noch im Nachtrag 1907,  und im 1916-Nachdruck auch nicht.  Daher kann ich die Modellnummer nicht angeben. Vielleicht kann die Präsentation als Objekt des Monats Februar diese Wissenslücke ausfüllen helfen.

 

Als der Schreibsessel zu mir kam, war er sehr verunstaltet, die Füße waren abgesägt und später mit klobigen Verlängerungen wieder auf normale Höhe gebracht worden, der Sitz war gepolstert gewesen und hatte einige Luftlöcher bekommen, was auf einen sehr dichten Bezug schließen läßt. Um dem in der Substanz guten Möbel eine Chance zu geben, habe ich die Schäden beseitigt und einen würdigeren Zustand hergestellt, der es erlaubt, 1.400 € als Preis festzulegen.  Wäre es der 721er, könnte man deutlich höher kalkulieren, aber die Variante, die nicht mehr als Wagner-Entwurf gelten kann, kann nicht von diesem Bonus profitieren.

 

…und presto von Morgen zu Abend – das ist internet – hat ein belgischer Advokat den Katalogscan geschickt, der die Nummer A 426 F enthüllt.  Zwar ist der Sattelsitz – mein liebstes Detail – nicht dargestellt, aber die Firmen haben damals ALLES gebaut, was ein Kunde haben wollte. Der dargestellte Sitz ist zum Polstern geeignet, das mag der Grund für die Variation sein. Das Modell ist in der Katalogliteratur von 1906 bis 1928 zu verfolgen.

 

Variante zum Fauteuil Kohn Nr 721
Katalogscan
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