Ein alter Streit geht um die Frage, ob es eine unzulässige Zwangsausübung sei, das Holz in lange, dünne  Streifen zu schneiden und nach Erweichung mittels Dampf – eventuell unter Druck – in Kurven zu biegen. Die Kritiker sagen, das Holz sei gerade gewachsen und solle auch gerade verarbeitet werden.

Hier präsentiere ich ein Möbel ganz nach dem Herzen dieser Puristen. Entworfen hat es ein spätviktorianischer Brückenbauingenieur namens Allan Jones, der als siebter Sohn des Bürgermeisters von Gloucester auf dem Gut Hatherley lebte. Dort entwickelte er für den Eigenbedarf die „Lattistep“-Leiter, deren Patent zur Basis seiner 1885 gegründeten Fabrik wurde, in der er über 40 Jahre lang zusamenlegbares hölzernes Gerät baute, bis er die Firma verkaufte. Erst in den 60er Jahren hat dann das Aluminium die hölzernen Artikel so weit verdrängt, dass die Fabrik stillgelegt wurde. Es war wirklich schade um die sinnlich viel charmanteren Hölzer, wie Pinie, Eiche, Teak und Mahagoni, die in der hohen britischen Tradition des Werkzeugbaus zu bewunderungswürdigen Objekten verarbeitet wurden.

Um 1914, aus welchem Jahr ich einen Katalogreprint besitze, war die Firma Hatherley der größte Produzent von hölzernen Leitern weltweit. Ähnlich dem Geschehen in der Buholzindustrie haben andere Hersteller die erfolgreichen Leitern nachgebaut – der Fabrikant Cambier aus Ath in Belgien, der häuptsächlich Bugholzmöbel baute, hat sich zum Bindeglied zu den Leitern gemacht und zeigt sie auf der letzten Seite eines seiner Kataloge. Die Kontinentware ist an der niedrigeren Steigungshöhe der Auftritte erkennbar. Auf sechs britische kommen sieben belgische Stufen.

Die Kopisten blieben bei den Leitern. Was Hatherley sonst noch herstellte, war deren exklusive Domäne. Daraus stammt der hier gezeigte Tisch, der mit einer Klappleiste auch zum Lesepult gemacht werden kann. Es gab mehrere Größen, auch eine ovale Platte, aber die kleinste Ausführung ist die ansprechendste in der Proportion des Gestells zur Platte. Für die Varianten wurden nämlich nur die Platten geändert, die Gestelle blieben gleich. Auch ein Baukastensystem!

Von den anderen Klappmöbeln, wie Bügelbrettern, Stühlen aller Art, catering furniture, Staffeleien, Betten, Hockern, Zelten und Umkleidekabinen wünsche ich mir am meisten, den Fahrrad- und Motorradständern zu begegnen. Zusammengefaltet passen sie in eine Aktentasche und ermöglichen es, das Rad hinzustellen, ohne dass die Reifen den Boden berühren. 1914 berühmt sich die Firma in ihrem Katalog einer Verkaufsanzahl von über 1 Million Stück. Da müßte doch einer für mich übrig geblieben sein.

Wenn jetzt noch jemand fragt, was das bei Thonet*Antik zu suchen hat, der hat nichts verstanden.